Der Bahnhof ist der erste und letzte Eindruck, der sich dem Reisenden offenbart. Und oft der einzige. «Ich kenne die Stadt», behauptet er, weil er den Bahnhof kennt. Hier ist es wie überall, und wie überall – anders. Abschied und Wiedersehen geben sich ein Stelldichein: Wer hat diese Rose verdient? Zu wem gehört die Alte? Wer passt zu Herrn Verloren?
Im Gewimmel der Flüchtenden, Zurückkehrenden, Brezelverkaufenden, Sehnsüchtigen, Fischbrötchenessenden, Verschämt‐neben‐dem‐gelben‐Viereck‐ Rauchenden späht ein Anzugtragender nach «Mr. Soundso». Wie würde der Abend wohl für den verlaufen, der das Schild als Erster erblickte und an seiner neuen Identität keinen Zweifel ließe? Würde der Schwindel vielleicht nie entdeckt? Schwieriger, sich in fremde Arme zu stürzen; Entschlossenheit hilft. Den Fahrkartenschalter suchte man hier schon immer vergeblich, und jetzt ist das sogar modern. Die Internationalität der Metropole erkennt man an der Reisebank, und im großen leeren Seitenschiff der Kathedrale möchte man am liebsten eine Kerze anzünden und sich was wünschen. Noch eine Viertelstunde Zeit: für das neue Herz Europas im Turm ‐ warum nur wollen die Politiker hier, dass man an ihrer Stadt möglichst schnell vorbeifährt? ‐ oder lieber einen herren‐, aber offenbar nicht damenlosen Koffer inspizieren? Oder noch schnell ein Slow‐Food‐Restaurant eröffnen oder einen verspäteten ICE erwarten?
«15 Minuten Verspätung» ‐ wo spielen diese Kinder eigentlich sonst, wenn nicht gerade vor Stuttgart auf den Gleisen! ‐ das reicht, um auf den Zug zu warten, nicht einzusteigen und dann pünktlich mit der S‐Bahn nach Hause zu fahren, vergnügt, vom Ort der großen Verwandlung.